Vom Besserwisser zum Besserbesserwisser
Von Heinrich Hemme

Bewertung

Bewertung von "Denksport für Besserwisser" durch Professor Heinrich Hemme, Fachhochschule Aachen (bekennender Besserwisser und Autor von zig Denksportbüchern).



Der größte Triumph eines jeden Schülers ist wahrscheinlich, in den Berechnungen seines Mathematiklehrers Fehler zu entdecken und zu verbessern. Wer auf dieses Gefühl nach seiner Schulzeit nicht verzichten möchte, sollte sich einmal Denksportaufgabenbücher gründlich ansehen. Denn die meisten Autoren geben für ihre Knobeleien Lösungen an, und die Lösungen sind manchmal falsch oder unvollständig oder lang und umständlich. Solche Bücher sind also ein Eldorado für jeden Besserwisser. Volker Pöhls, Studienrat, promovierter Soziologe und leidenschaftlicher Besserwisser, vertritt die Auffassung, Denksportaufgaben als etwas grundsätzlich Unfertiges anzusehen, die immer verbessert, vervollständigt oder erweitert werden können. Er hat deshalb ein ganz besonderes Denksportaufgabenbuch geschrieben, das in seiner Art wohl einmalig sein dürfte. Es handelt sich um eine Sammlung von etwa achtzig Aufgaben und Lösungen aus Büchern anderer Autoren, zu denen Pöhls jeweils noch eine Besserwisserlösung gefunden hat. Die meisten Probleme seines Buches sind mathematischer Natur, wobei sie jedoch nicht über die Mittelstufenmathematik hinausgehen. Es gibt jedoch auch eine ganze Reihe Münz- und Streichholzknobeleien und einige Logikrätsel. Die Aufgaben sind in die drei Gruppen "leicht", "mittelschwer" und "schwer" unterteilt.

 

Sehr viel Neues sollte man allerdings nicht erwarten. Viele der Aufgaben sind Klassiker der Unterhaltungsmathematik oder Varianten davon, und meistens kennt man ihre richtigen und vollständigen Lösungen schon seit langer Zeit. Die von Pöhls zitierten Autoren haben in der Regel nur ungenau gearbeitet und die Aufgaben nicht präzise formuliert oder die längst bekannten Lösungen falsch wiedergegeben. Beispielsweise das Problem S9 aus Pöhls' Buch: "Vier Städte liegen auf den Ecken eines Quadrates von 10 km Kantenlänge. Man möchte ein Straßennetz bauen, das alle vier miteinander verbindet. Welches ist das kürzeste Netz, das du planen kannst?" Als Lösung gibt der von Pöhls zitierte Autor die beiden Diagonalen des Quadrates mit einer Gesamtlänge von 28,28 km an. Pöhls hingegen findet als Besserwisserlösung einen kürzeren Weg, der aus fünf Abschnitten besteht und nur 27,32 km lang ist. Diese tatsächlich optimale Lösung wird aber in praktisch allen anderen Rätselbüchern, in denen die Aufgabe vorkommt, richtig wiedergegeben. Schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts kannte der Schweizer Mathematiker Jakob Steiner diese Aufgabe und ihre korrekte Lösung.

 

Dennoch ist es ein Genuss, dieses Buch zu lesen, und es sollte in keiner Sammlung von Denksportaufgabenbüchern fehlen. Sein größter Reiz liegt wohl darin, die Besserwisserlösungen zu verbessern und damit zum Besserbesserwisser zu werden. Der Autor ruft dazu übrigens ausdrücklich auf. Prof. Dr. Heinrich Hemme Fachhochschule Aachen



Erschienen in: http://www.wissenschaft-online.de/artikel/620889
(existiert schon lange nicht mehr; Veröffentlichungs-Datum ca. Juli 2003)