Krause Gedanken

von Volker Pöhls


Sisyphos am Drehort

Soeben habe ich in einem Magazin geschmökert, das wegen der Saure-Gurken-Zeit ganz magersüchtig aussah, und was lese ich? Daß ein berühmter Regisseur jede Szene 40 bis 50 mal spielen läßt. Wahrscheinlich gibt es ein gußeisernes Gesetz der Filmologie, das besagt, daß ein Regisseur um so bewundernswerter ist, je öfter er eine Szene wiederholen läßt. Normale Menschen von der Straße können wahrscheinlich nicht nachempfinden, was daran so genial sein soll. Man stelle sich vor, dieses schöne Gesetz fände auch bei Star-Chirurgen Anwendung. 40 mal Blinddarm raus und wieder rein. Mich könnte eigentlich nur eine empirische Untersuchung überzeugen, in der - vielleicht, vielleicht auch nicht - nachgewiesen wird, daß tatsächlich für den endgültigen Film immer eine der letzten Szenen ausgewählt wird, weil sie halt so ausgereift sind. Ich würde mir allerdings ins Fäustchen lachen, wenn sich herausstellt, daß doch immer Szenen aus den ersten zehn Versuchen genommen werden, weil die noch spontan gespielt sind und man den Schauspielern noch nicht den Haß auf den sadistischen Regisseur an den Lippen ablesen kann. 50 Mal - Sisyphos läßt grüßen.