K R A U S E    G E D A N K E N    (14)

von Volker Pöhls


Scharf wie Chili-Schoten beim Chachacha

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Ach du lieber Himmel

| Milka&Görtz |

Sehr geehrte Frau Milka,
Ihre Schokoladenmilch kommt ja wohl von ganz verrückten Kühen! Die sind ja schon ganz blau angelaufen! Das kann doch wohl nicht der wahre Kreuzfeld Jakob sein, solche Pigmentstörungen, oder? Wenn Ihre lila Kuh anfängt zu bellen, dann sollte sie aber schleunigst mal zum Arzt.
Mit freundlichen Grüßen

Sehr geehrter Herr Görtz,
jetzt bin ich aber doch beunruhigt. Ihre Schuhe sind doch aus Leder. Doch sicher aus Rindsleder. Wer sagt mir, daß das Leder nicht von einer verrückten Kuh stammt? Sie können mir doch nicht erzählen, dass Ihr Leder nur von glücklichen Kühen aus Argentinien kommt! Und was ist, wenn nun in Ihrem Leder ein Kreuzfeld-Jakob drinsteckt und mir ans Leder will? Durch den Fußschweiß in meine Lymphkanäle schwimmt und sich bis zum Gehirn durchkämpft und dort wilde Sau spielt? Es ist zum verrückt werden.
Mit freundlichen, beunruhigten Grüßen

 

Um Himmels Willen

| Frauenhaus |

Sonnabend Vormittag. Ein grauer Novembertag. Auf dem Marktplatz einer norddeutschen Kleinstadt haben Frauen einen Info-Stand aufgebaut und werben für ein Frauenhaus. "Ein Frauenhaus ist ein Ort, an den sich Frauen wenden können, wenn sie in Not sind.", erklärt eine rothaarige Mitvierzigerin. "Wenn sie von ihrem Mann verprügelt worden sind." Ein Jugendlicher, Pickel im Gesicht, Jeans tief in den Kniekehlen, hat dies gehört. Plötzlich hat er so einen Ghettoblaster auf der Schulter. Er drückt die Start-Taste. "Manchmal, aber nur manchmal", kommt aus dem Lautsprecher. "Ich weiß, wovon ich spreche", sagt die Rothaarige, "Ich bin selbst betroffen." Der Jugendliche läuft, allmählich immer schneller werdend, um den Tapeziertisch mit den Frauen herum. "Manchmal, aber nur manchmal, haben Frauen ein kleines bißchen Haue gern ...",kommt aus dem Lautsprecher. Alle singen den Refrain laut mit und klatschen im Takt in die Hände.

 


 

 

Dem Himmel sei Dank

| Überraschung |

Günther G.(17) hat ein Gerät zum Durchleuchten von Überraschungseiern erfunden. G., Schüler der polytechnischen Gesamtschule in Emden (Ostfriesland), gibt sich zugeknöpft. Über die technischen Details wolle er keine Auskünfte geben, solange das Patentverfahren noch nicht "in trockenen Tüchern" sei. Er verrät immerhin, dass es weder nach dem Prinzip der Röntgenstrahlen noch per Ultraschall funktioniert. "Ich habe bereits Angebote in 6stelliger Höhe von einem koreanischen Konsortium.", sagt Günther G. nicht ohne Stolz. Auf die Frage, ob man die besonders begehrten Einzelfiguren und Bausätze im Inneren der Überraschungseier damit unterscheiden könne, nickt G. Man könne "praktisch alles" sehen. Auf die Frage, ob man mit dem Verfahren auch durch Kleidung hindurchsehen könne, schweigt G. verlegen und verläßt grußlos die Pressekonferenz.

 

 

Vom Himmel hoch da komm ich her

| Ein Mann sieht rot |

Ich gestehe: Ich habe heute ein Blutbad angerichtet. Ich plädiere auf mildernde Umstände, weil es im Affekt geschah. Lassen Sie mich erklären, wie es dazu kam.
Ich saß im Auto auf dem Weg ins Büro. "Wegen Ausfall eines Verkehrsrechners können die Ampeln nicht verkehrsgerecht geschaltet werden", hieß es im Radio. Das hatte ich nicht voraussehen können. Um 9 Uhr hatte ich einen wichtigen Termin. Jetzt war es fünf vor 9. Ich war dem Büro noch nicht entscheidend näher gekommen. Dann kam die kurvenreiche Strecke zu den Walddörfern. Vor mir trödelt ein Auto dahin. An ein Überholen ist nicht zu denken. Ein Rentner, der nichts Besseres zu tun hat, als auf der Straße seine Zeit totzuschlagen. Der mit dem Geld, das ich sauer für ihn erarbeite, vor mir auf der Fahrbahn herumkriecht. Der mir ausgerechnet zur Haupverkehrszeit den Weg versperren muß, nur um irgendeinem armen Verkäufer in irgendeinem gottverlassenen Baumarkt stundenlang mit Fragen nach dem besten Akkubohrsauger auf die Nerven zu gehen, den der dann natürlich doch nicht kauft. Da bin ich einfach ausgerastet. Da hab ich die Selbstbeherrschung verloren. Ich habe die Scheibe runtergekurbelt, meine Wumme rausgeholt, ihm die Reifen zerschossen. Als das nichts genützt hat, bin ich vollends ausgetickt und habe ihn beim Überholen durch das Seitenfenster standrechtlich exekutiert. Beim Stadion habe ich dann noch eine Fahrschule durchsiebt, die mir in die Quere kam, und eine zweite auf der Flucht erschossen. Den Radfahrer habe ich gar nicht mehr richtig gemerkt.
Ich bereue nichts. Das Einzige, was ich bedaure, ist, daß ich nicht schon viel früher geschossen habe.


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